Auf der Suche nach einer neuen Kultur
Viele Firmen setzen auch heute noch auf starre Hierarchien und haben dabei die Anforderungen an die Unternehmensführung der Zukunft nicht im Blick. Wer über seine Führungsstrukturen Kreativität und Innovation in seinem Unternehmen – unabhängig von Größe und Branche – nicht gezielt fördert, ignoriert die Bedürfnisse seiner Arbeitnehmer und riskiert damit sein erfolgreiches Bestehen am Markt. Wer Kreativität und Innovation wirklich fördern will, muss andere Wege gehen.
„Ein digitaler Tornado geht durch die Industrie. Irgendwann trifft es uns. Die Elektromobilität zieht uns ziemlich die Socken aus.“
(Aussage einer Führungskraft bei Daimler während einer Versammlung von Führungskräften)
Konzerne wie Daimler bspw. probieren das jetzt aus. Mit dem Veränderungsprogramm Leadership 2020 soll ein Unternehmensumfeld geschaffen werden, in dem starres Hierarchiedenken einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe weichen soll. Und der Konzern steht mit seinen Bemühungen nicht alleine.
In vielen deutschen Unternehmen wird derzeit versucht Althergebrachtes abzuschaffen. Konkret bedeutet dies, dass Arbeitsabläufe und Strukturen überdacht werden. So kommen bspw. auch Kritik-, Belohnungs- und Bewertungssysteme auf den Prüfstand. Alles soll schneller, offener, besser werden: die Unternehmens- und Führungskultur soll sich ändern – und Studien wie der Gallup-Studie (www.gallup.de), dem sogenannten Engagement Index Deutschland, zufolge, muss es das auch dringend, wenn man als Unternehmen erfolgreich am Markt etabliert bleiben will oder gar eine Vorreiterrolle einnehmen will. Mit einer innerlich gekündigten Belegschaft, die nur noch Dienst nach Vorschrift macht, ist dies unmöglich.
Sichtbar
Im Moment gibt es in vielen Unternehmen noch traditionelle und starre Strukturen, in denen der Weg nach oben bzw. andere attraktive Karrierewege genau vorgezeichnet sind. Bewegt man sich außerhalb dieser Strukturen, d.h. passt man nicht in die vorgegebenen Schubladen, gibt es keine Karriere und man befindet sich schnell in der Sackgasse.
Je traditioneller, größer und hierarchischer Unternehmen sind desto schwieriger ist die Veränderung. Viele Unternehmen haben deshalb in der Vergangenheit geschlafen, sich auf ihren Erfolgen ausgeruht und gar nicht erst angefangen, ihre Führungskultur zu entwickeln und den Bedarfen der Zukunft anzupassen.
„Wir haben in den vergangenen Jahren geschlafen und unsere Führungskultur nicht weiter entwickelt.“
(Helmut Lange, Führungskraft bei Daimler)
Doch ist ein Kulturwandel nach jahrelangem Dornröschenschlaf oft ein langer Prozess, in dem verloren gegangenes Vertrauen der Belegschaft nur mit einem konsequent gelebten Wandel der Führungskultur wiedergewonnen werden kann.
Nach einer Studie der Personalberatung Rochus Mummert wird in vielen Betrieben nach außen auf Wandel gemacht, aber nach innen immer noch die alte Kultur gelebt. So herrscht heute noch in jeder vierten Firma ein Kasernenton und eine Kultur gegenseitigen Misstrauens.
„(…) und es werden Mitarbeiter ohne Wertschätzung behandelt und beispielsweise sehr rüde gefeuert.“
Ein Abbau einer solchen Kultur braucht sehr lange und sehr viele Änderungen verpuffen zu Beginn, was sehr schnell und sehr gerne als Beweis dafür dient, dass der Einsatz weicher Faktoren nichts bringt und als willkommener Anlass genommen wird, um zügig in seine alten Denk- und Führungsmuster zurückkehren zu können.
Ein derartiger Kulturwandel kann nur gelingen, wenn alle Mitarbeiter über sämtliche Hierarchiestufen hinweg ihren Beitrag leisten dürfen und so verinnerlichen können bzw. tatsächlich erleben, welche Vorteile damit verbunden sind. Es genügt keinesfalls eine Art Gallionsfigur an die Spitze zu stellen und trotzdem alles beim Alten zu lassen. Ein Kulturwandel kann nur dann gelingen, wenn sich die Veränderungen positiv im Arbeitsalltag bemerkbar machen und wirklich gelebt werden. Wird der Kulturwandel als eine Art Alibiveranstaltung auf ein Firmenevent reduziert, nach der keine weiteren richtungsweisenden Aktivitäten mehr stattfinden, wird den Mitarbeitern schnell klar, dass es sich um reine Lippenbekenntnisse handelt. Dann folgt auf die Euphorie schnell Ernüchterung und Frust mit dem im Engagement Index Deutschland aufgeführten Folgen (www.gallup.de). Die Kultur lässt sich nur durch einen fortlaufenden Prozess ändern.
„Ein stylisches Ambiente, keine Krawatte und viele Post-It-Zettel. Die Menschen glauben das allein bringe grundlegende Veränderungen. (…) Die Kultur lässt sich nicht direkt verändern, auch nicht in einem Event, sondern nur in einem fortlaufenden Prozess.“
(Unternehmensberaterin Stephanie Bochert)
„Der Kulturwandel gelingt nur, wenn jeder mitmacht, ihn verinnerlicht und nicht, weil Chef Dieter Zetsche in anordnet“
(Helmut Lange, Führungskraft bei Daimler)
Ein wichtiger Schritt hierzu ist die Einführung einer konsequent gelebten Feedback-Kultur, in der sich Führungskräfte und Arbeitnehmerschaft, unabhängig von Rang und Status, nach vorher vereinbarten Feedback-Regeln gegenseitig ein ehrliches Feedback geben können ohne negative Folgen befürchten zu müssen.
„Wir wollen eine Feedback-Kultur. Wir wollen, dass man mit seinem Chef kann, ohne seinen Job an den Nagel hängen zu müssen.“ (Aussage einer Führungskraft bei Daimler während einer Versammlung von Führungskräften)
Ein weiterer Schritt ist die Bildung einer Schwarmorganisation („ein Lieblingsthema von Dr. Z.), in der abteilungsübergreifende Gruppen von Mitarbeitern im offenen Umgang miteinander gemeinsam Lösungen finden und dies nicht wie bisher üblich in einem abteilungsintern und möglichst hinter verschlossenen Türen tagenden Gremium passiert.
„Wer heute eine Idee hat, muss nicht mehr kündigen wie bislang, als Kollegen zu Porsche und BMW wechselten, sondern kann Sie im Unternehmen umsetzen“
(Helmut Lange, Führungskraft bei Daimler)
Dabei ist das Bewusstsein aus einem Konzern wie Daimler kein Start-Up Unternehmen mit flachen Hierarchien machen zu wollen und zu können von großer Bedeutung und wichtig für einen realistischen und glaubwürdigen Wandel . Wichtig ist es vielmehr innerhalb der bestehenden und durchaus auch sinnvollen Strukturen „Inseln der Agilität, Flexibilität und Innovation zu schaffen“, so dass sich auch traditionell an das Unternehmen gebundene Mitarbeiter nicht „verschreckt“ fühlen und auf dem Weg zu innovativem, aber auch kritischen Denken gegenüber dem Unternehmen mitgenommen werden können und „nicht in ein tiefes Loch fallen“.
Weiterhin misst sich laut Unternehmensberater Winfried Berner die Glaubwürdigkeit des Wandels auch entscheidend daran was mit den Führungskräften passiert, die den Kulturwandel nicht mittragen. Mitarbeiter achten sehr genau darauf, was mit Führungskräften passiert, „die sich gegenüber Mitarbeitern aufführen wie die Axt im Walde und dabei auch Regeln verletzen“. So ist ein Unternehmen gut beraten Vorgesetzte zu wählen, die die die neue Kultur aus Überzeugung vorleben und als Multiplikatoren dienen können.
„Die Auswirkungen sind überraschend positiv und ich fühle mich in meiner Arbeit ermutigt. Mein Vertrauen in die Mitarbeiter wächst“
(Zitat einer Führungskraft bei Daimler)